Samstag, 16. September 2006

Wir sind wieder in Sao Paulo. Gestern waren wir lange auf Reisen, drei Stunden im Bus und dann noch eine im Flieger und dazwischen noch etwas Aufenthalt am Flughafen in Rio. Leider hat es nicht mehr gereicht, um den Corcovado zu besichtigen. Aber man muss ja auch was für das nächste Mal übrig lassen :-).
Der Flug war ruhig, aber die Reise insgesamt doch recht ermüdend. Am letzten Tag in Buzios haben wir uns noch die Stadt bei Tag angeschaut und einige Strände besucht. Da gibt es reichlich viele Strände. An der Praia de Geriba waren wir dann auch noch baden. Zwar etwas frisch, aber für unsere Verhältnisse warm genug. An der Nordsee ist das Wasser meinem Gefühl nach kälter ... :-)
Dafür war die Praia auch nicht gerade billig. Aber die Aussicht gut. Da gibt es eine Menge Häuser, die man sonst nur in Filmen sieht. Schon klasse, diese Stadt. Man könnte sich an Buzios gewöhnen ... Allerdings, für brasilianische Verhältnisse ist sie sehr teuer. Die Preise sind fast das dreifache von den Preisen in Sao Paulo und damit fast so, wie bei uns ...
Den Wagen haben wir heil wieder abgegeben, trotz der Lombadas, der Hubbel, die da die Strassen verunzieren. Immerhin etwas :-). Und heute sind wir wieder in Sao Paulo, an ihrem Arbeitsplatz bei der senac, einer Schule, an der sie Marketing unterrichtet. Da sitze ich im Augenblick auch in der Bibliothek, an einem öffentlichen Computer. Mitten in Osasco, nicht weit weg vom Zentrum. Und da sind wir auch noch mit dem Auto hingefahren. Wir? Genau genommen eigentlich ich ... Der Verkehr in Buzios ist doch recht harmlos im Vergleich zu hier, da wird richtig eng gefahren, da sind manchmal nur noch Zentimeter Platz und die rasen herum wie die Irren. Motorräder zischen mal eben an einem vorbei, Radfahrer überholen links und rechts. Und wenn die was falsch machen, regen sie sich über die Autofahrer auf. Schon irgendwie ziemlich gewöhnungsbedürftig ... :-). Anscheinend passiert hier aber trotzdem weniger, als in Deutschland. Wahrscheinlich rechnen die einfach damit, dass man irgendwas bescheuertes macht und reagieren deshalb in der Regel richtig ... Was mir jetzt sorgen bereitet, weil ich eher defensiv bin und damit natürlich nicht unbedingt der Norm entspreche ...
Aber ich bin bisher ohne Schäde durchgekommen. Da ich den neuen Wagen von ihrem Vater habe, hoffe ich doch auch sehr, dass das so bleibt ...
Ein wenig regt mich das Bankensystem hier auf. In Buzios wollten wir in einer Filiale der Banco do Brasil Traveller Cheques eintauschen. Ging nicht. Machen die hier nicht. Glücklicherweise gab es ein paar Strassen weiter eine Wechselstube, die haben dann auch die Dollar-Schecks umgetauscht. Hier in Osasco scheint es aber vollkommen unmöglich zu sein, eine Bank zu finden, die einem die Schecks einlöst. Insofern sind die Dinger hier wirklich absolut sicher. Da kann man sich drauf verlassen, dass keiner mit den Dingern an Geld ran kommt, die nimmt nämlich einfach keiner hier an ...
In Sao Paulo soll es aber ein paar Banken geben, die auch die Schecks umtauschen. Na, da kann man nur hoffen ... nächstes Mal werde ich das Geld jedenfalls lieber bar mitnehmen. Vielleicht ist das nicht so sicher, aber bevor ich hier stehe und nix zum zahlen hab, weil die mal wieder die Mastercard nicht nehmen wollen ... Tja, man lernt halt nie aus ...
Übrigens Bankensystem - heute habe ich auch eine Variante kennen gelernt, die bei uns sicher auch mal üblich war (in den USA ist sie es vielleicht immer noch und möglicherweise geht das bei uns auch noch, keine Ahnung). Ana hat eine Rechnung bezahlt. Dazu ging sie auf ihre Bank die Banco do Brasil, und hat das Geld da in Cash abgehoben. Dann ging sie in die Banco Bradesco und hat da einen Umschlag genommen, auf dem Deposito stand. Da kam dann Kontonummer des Empfängers und noch das eine oder andere drauf und dann wurde das direkt an einem Bankautomaten, der nur Deposits annimmt, eingezahlt ... ich hab dann gefragt, ob man das nicht auch per Überweisung machen kann. Naja, schon, meinte sie, aber dann weiss man nicht, wann der Empfänger das Geld erhält. Und die Rechnungen sind Terminsache. Da ist das dann verständlich ... Bei uns gibt es dafür aber, glaube ich, so was wie eine Terminüberweisung ... Naja, wie auch immer, auf jeden Fall war mir das neu. Und wirklich einfach ist so ein Sytem jetzt irgendwie auch nicht. Mit dem Bargeld dann in Sao Paulo rumlaufen ... ich weiss nicht, ob ich mich dabei wohlfühlen würde.
In der Fussgängerzone ist Osasco übrigens auch nicht viel anders, als Stuttgart. Klar, das Wetter ist besser und überhaupt sieht alles etwas anders aus. (In den letzten Tagen hatten wir jeweils deutlich über dreissig Grad - und bis 21. September ist auch hier immer noch offiziell Winter ... Da könnte ich mich jetzt wirklich dran gewöhnen, obwohl ich mir dann wahrscheinlich eine Badewanne voll Sonnenschutzmittel für das morgendliche eincremen zulegen müsste :-) ich benutze hier LSF 50 von Nivea, wusste gar nicht, dass die so was haben ... aber in Deutschland verkaufen die so was halt nicht, wer braucht das da schon? ;-)) Aber manche Dinge sind wohl überall gleich. Wir waren heute wieder bei ihrem Cousin, dem Friseur. Da hat sie sich die Haare richten lassen. Ist deutlich preiswerter, als bei uns, so um die fünfzig bis siebzig Reals, je nachdem, was man genau machen lässt. Umgerechnet sind das gerade mal 20 Euro, so grob geschätzt. Kein Wunder, dass man sich hier den Friseur öfter mal leisten kann. Was ein einfacher Haarschnitt kostet, konnte ich allerdings noch nicht in Erfahrung bringen. Aber sicher nicht viel ...
Gross und überfüllt ist die Gegend auf jeden Fall. Als wir vorher kurz im Supermarkt waren, hab ich mir so gedacht, in Blaubeuren nervt es einen schon manchmal, wenn zehn Leute zahlen wollen und nur zwei Kassen offen sind. Hier sind fünfzehn Kassen offen und an jeder stehen um die zwanzig Leute, die zahlen wollen ... Hier sind einfach viel mehr Menschen, als bei uns. Die Gegend ist total überfüllt. Aber gut, hier ist die drittgrösste Stadt der Welt gleich um die Ecke. Vielleicht hat sie ja auch Mexico Stadt schon überholt und ist inzwischen die Nummer 2, wer weiss das schon? Da braucht man sich nicht zu wundern, dass alles überfüllt ist. Aber in anderen Gegenden ist es trotzdem anders, für mich jedenfalls besser. Ob ich mich an die vielen Menschen und den fürchterlichen Verkehr hier gewöhne, das kann ich jedenfalls nicht sagen. Für mich ist das einfach irre hier :-)
Aber wer weiss, ein bisschen habe ich mich ja schon eingewöhnt.
Erstaunlich ist übrigens auch, aus was man alles Saft machen kann. Nachdem ich mit Mango und Ananas ja schon genug Säfte genossen habe die bei uns selten bis gar nicht zu kriegen sind, habe ich heute auch Saft aus Zuckerrohr getrunken. Mal was ganz anders ... sehr gut, aber für mich irgendwie zu süss. Ansonsten gibt es auch noch Saft aus der Guave oder der Papaya (der wirkt allerdings eher abführend). Säfte wohin man schaut, Suco, Suco, Suco. Ich glaub, ich trink bald nix anderes mehr. Sogar aus Erdbeeren habe ich hier schon Saft getrunken, bei uns ist das ja eher unüblich. Kaum allerdings greife ich hier zu Orangen oder Apfel. Davon gibt es bei uns einfach zu viel und die andere Säfte sind einfach zu gut, das ist nicht zu überbieten.
Auf der Reise nach Rio und Buzios gab es übrigens eine Sache, die mich doch gestört hat. Die Leute sind zwar in der Regel freundlich, aber auch reichlich aufdringlich, vor allem wenn sie einen Touristen wittern und darin sind die gut ... naja, mit drei riesigen Taschen reisen, da fällt man dann halt auch irgendwie auf ... :-). Auf jeden Fall quatscht einen, kaum dass man aus dem Flughafen raus ist, alle drei Meter ein Taxifahrer an. Und die akzeptieren ein freundliches "Não, obrigado" nicht, die fragen dann noch sechzehn mal ... und das dann um die zwanzig Taxifahrer, die sich um zwei arme Touristen regelrecht reissen, da wird einem schon reichlich mulmig und man will eigentlich nur noch weg ... von dem Busbahnhof aus zum Flughafen sind wir dann auch lieber mit dem Bus gefahren, ist auch irgendwie sicherer. Die reisen einem fast das Gepäck aus der Hand, um einen als Fahrgast zu kriegen ...
An der Copacabana ist das dann auch nicht anders, oder in Buzios. Da sind es dann weniger die Taxifahrer, sondern die Strassenhändler, die einem alle Nase lang was ins Gesicht halten und fragen, ob man nicht Geld dafür ausgeben will. Wenn das mal einer oder zwei sind, kann man das ja noch ertragen, aber in Rio oder am Strand passiert einem das alle eigentlich ständig. Und das nervt auf die Dauer dann doch gewaltig. Gut, mir ist schon klar, dass die das hauptsächlich deswegen machen, weil sie kaum was zu essen haben und dringend auf Geld angewiesen sind, aber trotzdem macht das keinen Spass und immerhin bin ich ja hier im Urlaub.
Ana Claudia ist da deutlich mehr Brasilianerin, an der prallt das irgendwie einfach ab. Im Gegenteil. Die will dann auch schon mal wissen, was das eine oder andere kostet. In Cabo Frio hat sie mit eine Hutverkäufer geredet, der ihr einen Strandhut für 25 Reals andrehen wollte. In São Paulo hat sie für das gleiche Teil gerade mal 8 Reals gezahlt. Die Preise sind vergleichsweise schon unverschämt, aber woher soll ein Tourist aus Europa auch wissen, dass er das alles in São Paulo viel preiswerter haben kann?
Auf jeden Fall ist das eine Seite an Brasilien, die mir nicht gefällt. Und in São Paulo, muss ich sagen, passiert einem das auch nicht. Die Gegend hier ist deutlich weniger touristisch und damit auch deutlich weniger marktschreierisch.
Ebenfalls eine Sache, über die ich bisher noch nichts geschrieben habe, ist der Wahlkampf, der hier gerade läuft. In Brasilien sind bald Präsidentschaftswahlen, da wird natürlich mächtig geworben. Im Fernseher, wie bei uns auch, natürlich schon. Aber hier hat nicht jeder einen Fernseher, und um auch andere zu erreichen, gibt es deutlich aufdringlichere Formen, als bei uns. Da fahren zum Beispiel Autos durch die Strassen, die einen Lautsprecher auf dem Dach haben und Tag und Nacht in voller Lautstärke Parolen und Namen von Kandidaten in die Gegend brüllen. Oder an den Ampeln - das ist sowieso wie ein Marktplatz, da kriegt man während der Rotphasen dauernd irgendwas durchs Fenster geschoben. Immobilien werden beworben, oder im Augenblick auch viele Kandidaten. In wichtigen Strassen wie der Avenida Paulista, stehen Menschen mit Plakaten und Fahnen und eingekleidet in den Farben der Parteien und machen Werbung für ihren Kandidaten. Das ist eine Form von Wahlkampf, die mir eigentlich gar nicht sonderlich gefällt, weil sie aufdringlich und marktschreierisch ist. Aber hier ist das wohl eher normal.
Und in Rio ist mir ganz extrem aufgefallen, dass Verkaufen an Ampeln ein richtiggehender Sport ist. Oder mitten auf der Autobahn, wenn gerade da Stau ist. Da rennen (in Rio live erlebt) Leute mitten auf der Strasse rum und halten alles mögliche hoch, was sie gerne verkaufen wollen. Man muss sich halt was einfallen lassen, wenn man an dinheiros kommen will. Für einen Touristen aus Europa ist das alles aber schon ziemlich gewöhnungsbedürftig. Und ungefährlich ist das alles auch nicht, in Cabo Frio haben wir einen armen Radfahrer gesehen, der wohl einem Auto in die Quere gekommen ist. Der Krankenwagen war noch nicht da, der arme Kerl lag mitten auf der Strasse, da haben sich Leute um ihn gekümmert und die Autos sind um ihn rum einfach weiter gefahren. Schön ist so was nicht, aber dass das nicht öfter passiert, ist eigentlich ein kleines Wunder.
Naja, aber mehr davon dann wohl ein anders Mal. Morgen wollen wir zu Neli und Fernando nach Indaiatuba fahren. Daniel will auch mitkommen. Bin gespannt, ob das diesmal klappt, nicht alles, was man sich hier vornimmt, passiert nämlich tatsächlich. Man hat hier eher eine relaxte Einstellung zu Verabredungen. Eher kurzfristig und pünktlich nicht unbedingt :-). Aber eigentlich ist das auch sympatisch, ist nicht so verkrampft wie in Deutschland.

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